Super Bowl mit Martin Pfanner: Deshalb ist John Madden der Größte aller Zeiten.

Die Geschichte über einen Pionier in drei unterschiedlichen Branchen.
Los Angeles Vergangene Woche hat Tom Brady nach einer glanzvollen Karriere seinen Rücktritt erklärt. Seine Bilanz: Sieben Super-Bowl-Titel, zehn Final-Teilnahmen während zweier Jahrzehnte Quarterback-Spiel auf höchstem Niveau, und das bis ins vergleichsweise hohe Sportleralter. In der abgelaufenen „regular season“ der National Football League (NFL) hat er mit 44 die Liga in den Kategorien Passing Yards und Passing TDs angeführt. Das wäre so, wie wenn ein Christiano Ronaldo noch als Mittvierziger bei einer Europa- oder Weltmeisterschaft das Turnier in Toren und der höchsten Passgenauigkeit anführen würde.
Grundsätzlich möglich, aber eigentlich ohne historischen Präzedenzfall. Karrieren folgen nach der 40er-Schallmauer meist demselben Muster: der Athlet als Schatten seines jüngeren Selbst. Nicht so bei Brady, der als „GOAT“ (Greatest Of All Time = Größter Aller Zeiten) in die Geschichte des Football-Sports und für mich auch Teamsports eingehen wird. Als Spieler.
Was die Karrieren – ja, der Plural ist hier gewollt – nach der Karriere betrifft, ist für mich ein anderer der Größte aller Zeiten, der Ende Dezember 2021 verstorbene John Madden.
Der Trainer
Madden wurde 1936 in Minnesota geboren. In jungen Jahren erfolgte der Umzug seiner Familie nach Kalifornien und dort der Start seiner Football-Karriere. Nachdem High School und College absolviert waren, verunmöglicht ihm eine schwere Knieverletzung Profi zu werden. Stattdessen konzentrierte sich der 1,93m Hüne früh darauf, Trainer zu werden. Als ausgebildeter Lehrer sind Inhalte zu vermitteln eine seiner Leidenschaften und Struktur in die Komplexität des Football-Sports zu bringen, eine seiner frühen Herausforderungen. Madden arbeitete sich hoch und wurde mit nur 32 Jahren von den Oakland Raiders als „Head Coach“ verpflichtet. Seine Art, das Spiel zu denken und zu lehren, sowie seine Art, eine Mannschaft zu führen, sind ansteckend. Er formte in Rekordzeit eine der erfolgreichsten Mannschaften der NFL. Auch wenn ihm mit Oakland nur ein Super-Bowl-Triumph in der Saison 1976 vergönnt war, so ist er bis heute der Head Coach mit den anteilig meisten Siegen aus den absolvierten Partien. Wo andere im Fach gerade beginnen ihren Leistungszenit zu approximieren, trat Madden bereits ab. Mit 42 kehrte er dem Trainer-Dasein für immer den Rücken.
Der TV-Experte
Es war ein offenes Geheimnis, dass die TV-Stationen längst ihre Fühler nach Madden ausgestreckt hatten. Ein verhältnismäßig junger, charismatischer „Erklärbär“, der entgegen der damals vorherrschenden Netiquette Sportberichterstattung als Unterhaltung und nicht als Kriegsberichterstattung interpretierte – das war neu. Bei CBS arbeitete er sich über 14 Jahre zum besten und beliebtesten TV-Experten des Landes hoch. Als der Sender FOX Mitte der 90er überraschend NFL-Rechte erwerben konnte, startete ein Wettbieten um Madden. Gerüchten zufolge durfte er sich seinen Vertrag mit FOX-Besitzer Rupert Murdoch höchstpersönlich ausdealen. Es war die ultimative und lukrative Adelung einer Experten-Karriere, die noch knapp eineinhalb Jahrzehnte andauern sollte. An deren Ende standen unfassbare zwölf (!) Prime-Time Emmys (Oscars des Fernsehens) für Madden.
Der Videospiel-Gigant
Als Trainer half Madden der Franchise in Oakland zum Durchbruch, als TV-Experte schaffte er es, das Spiel einer ganzen Nation zu erklären, sein größtes Vermächtnis bleibt aber wohl die nach ihm benannte Videospielreihe von EA Sports. Als ein Programmierer vom damals völlig unbekannten Videospiel-Startup „Electronic Arts“ Mitte der 1980er-Jahre versuchte, Madden von der Idee zu überzeugen, mit seinen Expertisen bei der Umsetzung eines Football-Computerspiels mitzuwirken, war dieser zwar skeptisch, willigte jedoch ein. Madden sah vor allem die Möglichkeit, einer neuen Zielgruppe American Football „lehren“ zu können. Seinen Namen lässt er EA Sports erst für die Serie nutzen, als die Simulation nach über fünf Jahren an Entwicklung seinen Ansprüchen wirklich genügen konnte. 1990 erscheint schließlich das erste von mittlerweile 33 „Maddens“. Die Bilanz? Über 150 Millionen verkaufte Exemplare und bald acht Milliarden Euro an weltweitem Umsatz.
Wie viele Menschen kennen sie, die mit einer Fertigkeit, einer Idee oder einer Vision großen Ruhm erlangten? Womöglich viele. Aber das Ganze in dreifacher Ausführung? Ich nur einen. John Madden.








